Umgang Bregenzerwald Anleitungen und Handreichungen zu Erkundung und Selbstbetrachtung

Text Umgang Bregenzerwald
KULTUR Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
16.4.2015

Umgang Bregenzerwald
Text über den Bregenzerwald Tourismus

Der Bregenzerwald Tourismus hat zwölf Rundwege eingerichtet, eine Website und Begleitfolder gestaltet und ein Buch dazu herausgebracht, die alle „den Wald“ beschreiben und näher bringen wollen. Der Bregenzerwald ist dafür kein einfacher Boden. Denn: Er ist berühmt für seine Zurückhaltung und für seine Verkleidungen. Zwei kulturelle Konzepte, die Lebensart und gestalterischen Ausdruck prägen und die ihn gerade interessant machen für eine fortgeschrittene Form des Reisens.

Die Ursprünge des Tourismus europäischer Prägung lagen in den „Kavaliersreisen“ der Aristokratie, als „säkulare Pilgerfahrt“ zu den Heiligtümern der Geografie. Spirituelle Läuterung und Purifikation verschoben sich hin zu Entdeckung und Bildung. Zwischen humanistischen Weltbeschreibungen und aufgeklärter Romantik entstand aus Geographie, Kultur und Leute der Begriff der „Landschaft“. Aufstieg und Expansion des Bürgertums hatten jedoch schon im 19. Jahrhundert die Entdeckungsreise zum Massentourismus deformiert und die Reiseziele immer weiter hinausgeschoben. Zurück blieben kulturell verbrauchte und globalisierte Landschaften.

Im Sturm dieser Entwicklungen blieben jedoch immer wieder Inseln stehen, die abseits breiter Aufmerksamkeit, sich selbst als Region und zugleich als Ziele eines Qualitätstourismus entwickeln konnten. Bewußt bemüht man sich um weniger Quantität und mehr nachhaltige, regionale Wertschöpfung. Man setzt auf Authentizität und Widersprüchlichkeiten und läßt Raum für eigene Entwicklungen. Auf diesem Weg beginnt sich der Tourismus mit Kultur und kulturellen Brechungen zu verbünden und wird mit zu einem Akteur der regionalen Kultur.

The Media is the message „Umgang ist ein schlichtes Wort und doch so vielschichtig. Genau wie der Bregenzerwald selbst“ So beginnt die Einleitung zum Buch und umreisst das Spannungsmoment aller Darstellungen rund um diese Region. Schlichtheit und Unmittelbarkeit werden nicht nur in Form und gestalterischem Ausdruck geübt, sie werden auch im Medium, in den Umgangsformen und im Aussenbild betont. Vermutlich rührt darin jene Vielschichtigkeit, die nicht nur Vielfalt meint, sondern – ungewollt – auch die Bedeutung von Verkleidungen aufwirft. Verkleidungen, die mit großer Disziplin erarbeitet und gepflegt werden. Sei es die Juppe, seien es die handwerklich meisterhaften Holzschindeln, die alle Funktionen übergreifende Hausform des Bregenzerwälderhauses oder die gemeinhin bescheiden, höflichen Umgangsformen, die den Besucher beeindrucken.
Was ist dahinter? Oder ist das die falsche Frage und findet sich die kulturelle Botschaft vielmehr in den Schichten selbst? Das Faktische, der Charakter des Handwerklichen und seine Verwebungen von Tradition und Innovationen bieten eine Reihe von faktischen Antworten, die auch in einem globalen Maßstab als gesellschaftliche Antwort als regionales Gegenkonzept gelten können. Das nachhaltige Interesse zeugt von einer Sehnsucht, die weit über das Touristische hinausgeht. Doch Idealisierungen sollen nicht den Blick von den eigentlichen Erfahrungen ablenken.

Rundwege und Erzählungen
Die Rundwege führen mit jeweils anderthalb bis vier Stunden Dauer durch 13 Bregenzerwälder Dörfer und richten sich auch an die Einheimischen zur Frage nach der eigenen Kultur. An jedem Weg lenken etwa 10 dezente, rostfarbene Stahlsäulen die Aufmerksamkeit auf ein Gebäude, auf Besonderheiten der Kulturlandschaft. Die brusthohen Säulen, entworfen vom Bregenzerwälder Architekten Georg Bechter und gefertigt von Waldmetall/Dietmar Bechter aus Hittisau, erinnern bewußt an Zaunpfähle. So sollen sie sichtbare Stationen des Rundwegs sein, aber auch unaufdringlich in die Landschaft zurücktreten.
Wie durch ein Fernrohr blickt man am oberen Ende durch ein Glasguckloch. Drückt man auf den seitlichen Knopf, beleuchtet ein Licht ein eingeschobenes Diapositiv mit zweisprachigem Text und einer gekonnt abstrahierte Zeichnung eines Architekturobjekts, die zum Ausgangspunkt einer kulturellen Themenstellung rund um das Bauwerk werden. Der kurze Text stellt eine Frage, auf Deutsch und auf Englisch. Die Antwort und weiterführende Informationen gibt wiederum der entsprechenden „Umgang Bregenzerwald“-Folder.
Zusätzlich erscheint ein Buch mit Erzählungen. Wälder und mit dem Wald Verbundene schreiben über ihre Sichtweisen auf den Umgang mit der eigenen Kindheit, mit Musik, Natur, Architektur, dem Handwerk, mit Hoffnungen, Wünschen und Träumen.

Früher einmal hätte das Lehrpfad mit Begleitprospekt geheißen. Aber dieses Medium ist unterschätzt und gerade heute ein geeigneter Weg, um die Menschen vor Ort zu bringen. Gehen, schauen, fragen und entdecken abseits einer Welt der Zeichen ist eine ausgezeichnete Methode, um selbst Antworten zu finden. Wie einfach oder wie vielschichtig diese sind, bleibt jedem selbst überlassen. Jedenfalls ist er gerüstet, um in den Dialog mit den Erzählungen des sehr ansprechend gestalteten Buches zu treten.

Robert Fabach, Bregenz, 16.4.2015