Outstanding - Versuch einer Kontextualisierung des Experiments in der Architektur. Ausstellung zum „Outstandig Artist Award 2010“ im VAI.

Outstanding Artist Award 2010 Texte Robert Fabach

Text zur Ausstellung Outstandig Artist Award 2010 im VAI
KULTUR Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 18.11.2010

Text zum Outstanding Artist Award

“*Mit dem Outstanding Artist Award prämiert die Republik im Zweijahresrhythmus Experimente in der Architektur. 2010 ist das Vorarlberger Architekturinstitut Gastgeber und Organisator. Die Architekten Hugo Dworzak, Lustenau, Matthias Stocker, Zürich , Andrea Hofmann, Berlin und Wolfgang Tschapeller, Wien sind als Juroren dem Aufruf gefolgt und haben ihr Bestes gegeben, um aus 50 Einsendungen einen würdigen Preis und drei Auszeichnungen auzuwählen, die sie als besonders outständing und besonders experimentell erkannten.
Dazu ein Gegenbild. Hans Hurch, der Leiter der Viennale, erklärte in einem Interview, dass dieses Filmfestival vorsätzlich keinen Preis vergibt und sich der „gleichberechtigten Präsentation“ verpflichtet sieht: „Eine nicht-hierarchische Idee von Kino, die Verweigerung von Wettbewerb, die möglichst offene Programmierung.“ Experiment ohne Wettbewerb? Vielleicht kein schlechter Ansatz um mit dem Außergewöhnlichen umzugehen.*

Gleich vorweg. Die Ausstellung ist ausgesprochen sehenswert. Mit 50 Einreichungen eine dichte Packung von Versuchen und Ideen zur Jetztzeit, ein Nährboden, der zum einen anregende Bilder liefert, zum anderen auch dem vertieften Blick reichlich Ma-terial bietet zur Kontemplation über gebaute und nicht gebaute Umwelt. Oftmals Diplomarbeiten, manchmal Versuche des Sich-Wieder-Freispielens vom Architek-turalltag, manchmal auch Beispiele für eine beharrlich praktizierte, künstlerische Widerständigkeit. Dazu als Diskursangebot einige nicht-hierarchische Schlaglichter aus dem Kontext.

*Wer ist den zuständig für das Experiment? *
Juror Hugo Dworzak beantwortet diese Frage folgendermaßen: „Es sind die ganz Jungen, die Frischen und Unverdorbenen, die Hungrigen und Träumenden. Jene, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben und die von dürstenden Unterrichtenden geimpft oder infiziert wurden. Jene, die noch niemandem etwas schuldig sind. Die frei von der Leber weg agieren und die Möglichkeit des Scheiterns als selbstverständlichen Teil ihres Tuns akzeptieren. Es sind jene, die frei nach Fritjof Capra, den Versuch unternehmen, scheinbar Unverträgliches miteinander zu verbinden.“

Die Ausstellung
Aufmerksam gehängt, liefert schon das Arrangement der Beiträge seinen Beitrag zum Diskurs. Gedankliche Dichte und grafische Raffinesse zeigen einige Konzeptionisten gleich am Eingang, der zweite Raum steht für die Preisträger zur Verfügung und drei entschlossene Kunst-Architekturinstallationen dominieren den Eindruck vom dritten Raum. Peter Kaschnig´s „Blaues Haus“ (realisiert für einen Monat in Klagenfurt) kommentiert trotzig das Gewöhnliche. Ein durchgängiges Gelb kennzeichnet eine eindrucksvolle Installation zu „Linz 09“ (www.bellevue-linz.at) und ein bunter Stapel von Containern und Ideen collagiert Stadtleben. Temporär realisiert am Wiener Wallensteinplatz(www.add-on.at).

“Books, adding weight to content”
In einer langen Vitrine liegen aufgeschlagen dicke, schwere Bücher mit aus den Seiten minutiös ausgeschnittenen Innenräumen. Ihr Autor Peter Staub: „Large volumes, oversize formats and several hundreds, if not thousands of pages aim to add weight to the content – literally and to intimidate it´s reader, who does not necessarily go and see the built architecture, but trusts it s glossy and photoshopped reproduction in books to make a judgement.“
Herrlich, aufschlussreich, alles was man braucht für eine Reflexion über Experimente in der Architektur und ihre Repräsentation. Ein Zitat von Peter Eisenmann stößt gleich nach und lobt schließlich die Bücher von Architekten sogar vor ihrem Werk. Ein alter Zweikampf im Architekturdiskurs, quasi an der Schwelle zu den Akademien und Architekturfakultäten, dessen Ausgang fast immer vom Austragungsort entschieden wird. Drinnen ist die Praxis rasch verloren, verlacht, mitleidig geduldet. Draussen, auf den Baustellen müssen Theorie und Experiment mit den Worten Hugo Dworzaks „um jeden Millimeter kämpfen und Keime künstlich am Leben erhalten“.

Nachdenker, Aufbereiter und lustvolle Krachmacher
Neben spannungsvollen Versuchen um die reine Form, gestützt von komplexen Me-chanismen der Genese und genährt aus den medialen Zirkusvorstellungen des De-konstruktivismus findet sich auch gezeichnetes Nachdenken über Haut und Struktur (Heri & Salli) oder Vertiefungen in die komplexen Fragen der Stadt- und Regional-entwicklungen (z.B. Arquitectos / Pretterhofer / Spath mit dem ausdifferenzierten Bilderlesebuch „Land“ über den „rurbanen Raum“). Gerald Haselwanters „Inflatable House“ kontempliert gemütlich über die Entwicklung Clevelands zu einer entleerten Stadt, vom „Anything goes“ zum „Nichts geht mehr“. Peter Jellitsch beeindruckt mit einer grafisch eindrucksvollen und auch ausgezeichneten Studie über den radio-elektronischen Raum der Mobilfunknetze über der Wiener Innenstadt.

Wohin gehen Ideen und Energie und wem nützen sie?
Ein Beitrag über ein Bauprojekt in einem südafrikanischen Township, das einer ak-tuellen, sehr bemerkenswerten und im Wettbewerb leider unterrepräsentierten Ar-chitekturbewegung folgt (siehe z.B.: www.basehabitat.ufg.ac.at oder sarch.twoday.net) verliert mit glückloser grafischer Gestaltung das Rennen auf den ersten Metern. Soziale Ambition wird auch bei der Auszeichnung von Gregor Holzinger gezeigt, dessen expressiver „Dachgarten für das Integrationshaus Wien“ wirkungsvoll Ausblicke für Asylsuchende inszeniert. Großer Aufwand, Perfektion und Hochglanz in der virtuellen Nachbildung ohne jede Umsetzung schmecken aber etwas bitter nach in-strumentalisiertem Elend.

Der Sieger
Ungetrübt fantastisch, subtil in der Idee, doch gleichwohl unrealisiert wirkt hingegen das Siegerprojekt von Christian Tonko, Titusz Tarnai, Peter Jellitsch: Eine „schwankende, dreckige und lebendige Antithese“ zum sterilen White Cube, „Raum, aufgespannt zwischen zwei Topografien, dient als Ausstellungsfläche, als Auditorium und als gesellschaftlicher Treffpunkt. Zwei Ingredienzien – Ökosystem und kulturelle Produktion – verschmelzen derart, dass Unvorhergesehenes möglich wird.“

Robert Fabach
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Ausstellungsdauer: 12. 11. bis 23. 12. 2010.
VAI – Vorarlberger Architekturinstitut, Marktstrasse 33, Dornbirn.
Di – Fr 13-17 Uhr, Sa 10 – 17 Uhr.
Info: www.v-a-i.at